Schwäbische Zeitung vom 09.12.2016
SPD-Bundesvize stellt sich gegen rechte Tendenzen
von Oliver Linsenmaier
Zum Abschluss des politischen Herbstes der SPD attackiert Ralf Stegner in Weingarten die AfD
Weingarten sz - Der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Ralf Stegner, hat bei einem Besuch in Weingarten klare Worte zu rechten Tendenzen in der deutschen Gesellschaft und den „Feinden der Demokratie“ gefunden. „Und wenn das ganze Deutschland nach rechts rückt, die SPD darf keinen Millimeter mitrücken. Keinen Millimeter“, sagte er vor rund 120 Bürgern um Staufersaal des Kultur- und Kongresszentrums zum Abschluss des politischen Herbstes der Kreis-SPD. „Ich finde den Anteil der AfD in Baden-Württemberg erschreckend. Und dann teilen die sich auch noch über ein Gutachten, wo sie herausfinden wollen, ob Hitler ein Antisemit war. Da langt man sich doch an den Kopf“, befand er.
Umso mehr sei es Aufgabe der demokratischen Parteien, ihre Profile zu schärfen. Daher mahnte Stegner auch zur Abgrenzung zur CDU. Ihm fehle manchmal das Selbstbewusstsein und der Stolz in der ältesten Partei Deutschlands, der SPD. „Wir müssen selber stark werden. Wenn sich die SPD und die CDU klar voneinander unterscheiden, haben die Rechtspopulisten gar keine Chance.“
"Die Wahrscheinlichkeit, einen leibhaftigen Islamisten in Weingarten
zu treffen, ist geringer als vom Blitz erschlagen zu werden." Ralf Stegner
Dennoch konnte es Stegner nicht vermeiden, die populistischen Parolen der AfD zu thematisieren – und zu entlarven. „Lügenpresse ist doch ein schlechter Scherz. Ernsthaft zu glauben, die Presse sei bei uns gelenkt. Was ist das für ein Unfug?“ Um den sozialen Zusammenhalt herzustellen, dürfe man die Ängste nicht schüren, sondern müsse sie entkräften. „Die Behauptung, Weingarten stünde vor der Islamisierung. Wer so etwas sagt, dem muss man sagen: ´Geh zum Arzt und lass dir helfen´.“ Auch sei „die Wahrscheinlichkeit, einen leibhaftigen Islamisten in Weingarten zu treffen, geringer als vom Blitz erschlagen zu werden, aber viel geringer.“ Man dürfe sich für die bevorstehende Bundestagswahl 2017 nicht verbiegen, sondern müsse weiterhin Politik für alle Menschen machen. Daher müsse man diesen Leuten sagen: „Mit uns nicht. Ihr seid nicht das Volk. Das Volk sind alle und nicht die paar, die das behaupten.“ Wie ernst er das meint, stellte der SPD-Bundesvize auch in der angeschlossenen Fragestunde mit den Bürgern unter Beweis. Ein junger Mann, der sich als Mitglied der Jungen Alternative für Deutschland vorstellte, hatte Stegner mit einer von ihm selbst getätigten Aussage konfrontiert. Dankend nahm der SPDler diese Steilvorlage auf und wies den jungen Mann in seine Schranken. „Unter Attackierung verstehe ich, dass man in der Tat hart diejenigen angreift, die sozusagen Volksverhetzer sind, die gegen Demokratie hetzen, die auf Flüchtlinge schießen wollen“, sagte Stegner. Gerade deshalb müsse man sich klar positionieren: „Wenn Sie glauben, dass unsereins zurückweicht, dann täuschen Sie sich.“
"Wenn Sie glauben, dass unsereins zurückweicht,
dann täuschen Sie sich." Ralf Stegner
Doch auch aus den eigenen Reihen kam Kritik, allerdings sachlich und konstruktiv. Einige anwesende Genossen sehen die SPD mitverantwortlich für die aktuellen politischen Umwälzungen. „Die Menschen nehmen uns nicht als Lösung, sondern als Teil des Problems war“, sagte ein junger Mann hinsichtlich zwölf Jahren SPD-Regierungsverantwortung in diesem Jahrtausend. „Wir sind nicht fehlerfrei“, entgegnete Stegner, aber „wir haben eine Menge erreicht mit unseren 25 Prozent.“
Im Vergleich zum Koalitionspartner CDU im Bund habe man mehr wichtige Themen durchgebracht. Daher gelte es, sich auf die ureigenen Stärken zu besinnen: Soziale Gerechtigkeit. „Die SPD hat schon immer Partei für die Schwachen ergriffen. Das sollten wir beibehalten“, sagte der Bundesvize. Daher will er gleiche und faire Löhne für Männer und Frauen, mehr Bildungsgerechtigkeit und Familien mit kostenfreier Kinderbetreuung unterstützen. Auch möchte sich Stegner für bezahlbaren Wohnraum einsetzen und das Rentensystem grundlegend reformieren. Denn auch wenn mit dem aktuellen Koalitionspartner CDU einiges erreicht worden sei: „Die Lebensabschnittspartnerschaft soll bitte 2017 enden.“
Erschienen in der Schwäbischen Zeitung vom 09.12.2016